Die heimliche Unruhe

Der Jahreswechsel 2013/14 ist gekennzeichnet durch Kontinuität und Ruhe: Keine Änderung bei den Beitragssätzen, nur kleine Anpassung des Grundfreibetrags in der Steuer. Man könnte sagen: so sieht ein bescheidenes Vorgehen aus nach dem Motto: „never change a running system.“

Der sichtbare Teil ist jedoch nur die halbe Geschichte. Die Änderungen in den Datenübertragungen wurden von den Arbeitgebern auf die Softwarehersteller verlagert und damit unsichtbar. Das Paket an Datenänderungen allein in der SV umfasst 100 Seiten. Und jede ‚0‘ oder ‚1‘ an falscher Stelle würde zur Ablehnung des Datensatzes führen. „Still ruht der See“ gilt nur an der Oberfläche.

Bemerkenswert ist vor allem das, was gerade nicht passiert: Der Beitragssatz zur RV müsste nach derzeitiger Gesetzeslage aufgrund von Überschüssen abgesenkt werden. Nur unter Berufung auf eine Gesetzesänderung, die momentan noch nicht verabschiedet ist, wird der Beitragssatz unverändert gelassen. Ganz aus dem Blickfeld ist dabei gerückt, dass die Vorfälligkeit der SV-Beiträge Anfang 2006 mit akut knappen SV-Finanzen begründet worden war. Da diese Knappheit jetzt nicht mehr vorliegt, könnte die Vorfälligkeit entfallen. Sie erschwert die Abläufe und erhöht nur die Bürokratiekosten bei den Arbeitgebern – ohne dass ein Euro mehr oder weniger fällig würde, nur früher. Dass die ausgabenorientierte Politik die Vorfälligkeit beibehält: das überrascht nicht. Dass aber kein Wort, kein Drängen nach Aufhebung der Vorfälligkeit seitens der Arbeitgeber bekannt wird: Das legt den Kern offen, warum die Abläufe immer komplexer werden. Wo die Betroffenen sich nicht melden, direkt oder über ihre Vertreter, werden die Regelungen entsprechend ungünstig und kompliziert ausfallen.
Die arbeitgeberfinanzierte Unfallversicherung ist das nächste „schlagende“ Beispiel.
Aus all dem ist kleinen Firmen kein Vorwurf zu machen – ihre Handlungsoptionen sind beschränkt, z. B. auf die Auswahl eines guten und vertrauenswürdigen Lieferanten für das Abrechnungsprogramm und die Datenübertragung.

Bürokratie vertraut nur auf Bürokratie. Entscheidungen durch selbständige Firmen sind verdächtig. Am liebsten würde Bürokratie alles bis zur letzten Buchung selbst durchführen. Das ist keine leichte Aufgabe. Als „Lösung“ bietet sich daher an: mehr und mehr Kleinigkeiten zu regeln und alles mittels elektronischer Datenübertragungen zu kontrollieren. Ist das denn nicht im Sinne des größtmöglichen Wohls für alle?
Nein, denn: Bürokratie handelt ungeschickt. Beispiel: Nachdem die elektronischen Datenübertragungen flächendeckend eingeführt wurden, stellt sich das BMAS (Ministerium für Arbeit und Soziales) die Frage: Wieviel Meldungen gibt es überhaupt? Ergebnis der ‚Aufnahme des IST-Bestands‘: es gibt über 100 Mio Meldungen/Jahr aus 39 verschiedenen
Meldeverfahren1) – und nur die SV ist hierin erfasst! Nachdem alle Übertragungen definiert und implementiert wurden, folgt die Überlegung: Wie lässt sich dies optimieren? Das Projekt wird „OMS“ genannt = ‚optimiertes Meldeverfahren zur sozialen Sicherung‘.
Das ist nichts anderes, als würde man einen Architekten nach Erstellung des Gebäudes mit der Anfertigung des Bauplans hierzu beauftragen. So funktioniert Bürokratie.
Wer dem Staat als dem Höchsten vertraut, der delegiert das allgemeine Wohl an die Bürokratie. Die Erfahrung aus tausend und mehr Jahren lehrt: nicht den Bürgern ist generell zu misstrauen, sondern da, wo Befugnisse, wo Macht liegt. Sie liegt beim Staat und seiner Exekutive, der Bürokratie2). Hier macht Kontrolle Sinn, nicht bei jeder E-Mail, jedem Telefonat oder jeder Lohn- und Fibu-Buchung der Bürger.

Wir wünschen allen Anwendern ein erfolgreiches Jahr 2014!
Ihr LohnFix-Team

1) Deutsche Rentenversicherung Bund, Summa Summarum, Okt. 2013, S. 8.
2) Nach Bankenrettung etc. notwendiger Zusatz: Große Unternehmen haben Macht und sind ebenfalls zu kontrolllieren